Stolperstein für ermordete "Anstaltspatientin" Anna Hellmann

| Drucken |

Info vom 16. Februar 2013

Sterbeurkunde verschleierte den Mord: Nazis töteten die Osnabrückerin Anna Hellmann

Osnabrück. Einer der Ärzte gab als Todesursache „akute myeloische Leukämie“ an. Tatsächlich ist Anna Hellmann im Juni 1941 in der Tötungsanstalt von Hadamar mit Gas ermordet worden – wie etwa 15000 weitere Anstaltspatienten, die während des Zweiten Weltkrieges in das hessische Dorf verschleppt wurden. Nationalisten hatten sie nach Aktenlage für „lebensunwert“ befunden. Jetzt erinnert ein Stolperstein an die Osnabrückerin, die im Alter von 39 Jahren sterben musste.

Alles war von langer Hand vorbereitet. Adolf Hitler hatte die Fäden an der Tiergartenstraße 4 in Berlin zusammenlaufen lassen. Dort befand sich das Verwaltungsgebäude, von dem aus Beamte den Massenmord in mehreren Tötungsanstalten steuerten. Ärzte in Heil- und Pflegeanstalten beurteilten ihre Patienten.

In einer Akte steht über Anna Hellmann: „Sie wird behandelt wegen eines Nervenleidens auf organischer Grundlage. Nach der Natur der Erkrankung wird die Kranke dauernd anstaltspflegebedürftig bleiben. Das Leiden ist aber schon so weit fortgeschritten, dass sie sich in einem Zustand völliger Hilflosigkeit befindet. Im Zusammenhang mit ihrem Leiden gehen auch die geistigen Quantitäten immer weiter zurück. Heil Hitler!“ Es war das Todesurteil. Und der angesprochene Diktator hatte eine „Tötungsermächtigung“ erteilt. Ärzte und Beamte entschieden über Leben und Tod – im Dienst einer Ideologie, die Menschen nach Nützlichkeit bewertete. Einerseits war von „Ballastexistenzen“ die Rede, andererseits von „Gnadentod“.


Engagierte Predigt

Davon erfuhr auch Clemens August Graf von Galen, damals Bischof von Münster. Im August 1941 hielt er eine Predigt, in der er die Taten der Nationalsozialisten verurteilte: „Seit einigen Monaten hören wir Berichte, dass aus Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke auf Anordnung von Berlin Pfleglinge, die schon länger krank sind und vielleicht unheilbar erscheinen, zwangsweise abgeführt werden.“ Er entlarvte die Haltung, „man dürfe so genanntes ‚unwertes Leben‘ vernichten, also Menschen töten, wenn man meint, ihr Leben sei für Volk und Staat nichts mehr wert“. Dann nämlich, so der spätere Kardinal, „ist der Mord an uns allen, wenn wir alt und altersschwach und damit unproduktiv werden, freigegeben“. Und weiter: „Es ist nicht auszudenken, welche Verwilderung der Sitten, welch allgemeines Misstrauen in die Familien hineingetragen wird, wenn diese furchtbare Lehre geduldet, angenommen und befolgt wird.“

Anna Hellmann wohnte bis zu ihrer Einweisung in die Heil- und Pflegeanstalt am Gertrudenberg 1933 am Petersburger Wall 36. Kaum mehr als einige offizielle Daten sind von ihr überliefert. „Wer könnte diese Frau sein?“ Antonio Custóias Sequeira stellte diese Frage bei der Verlegung des Stolpersteins, für den er nun Pate ist. Ihm gelang eine persönliche Verbindung über das Geburtsjahr von Anna Hellmann: „Sie hätte meine Oma sein können – und ich ihr Enkel.“ Und er gehört jetzt zu denen, die an dieses Opfer des NS-Regimes erinnern.

© www.noz.de