Holocaust-Gedenktag

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Info vom 27. Januar 2012

"Die Toten klagen an"

Mit einer bewegenden Feierstunde wurde am Freitagvormittag im Hariolf-Gymnasium den Opfern des nationalsozialistischen Terrorregimes gedacht. Eine ganze starke Vorstellung lieferten dabei die Schüler der Jahrgangsstufen eins und zwei ab, die mit einer beeindruckenden szenischen Darstellung an die Widerstandskämpfer der „Weißen Rose“ erinnerten.

Ellwangen. Es war Altbundespräsident Roman Herzog, der 1996 den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus proklamierte. Seither genießt der 27. Januar in der Stadt Ellwangen besondere Priorität. Darauf machte am Freitagvormittag auch Ellwangens Oberbürgermeister Karl Hilsenbek aufmerksam, der zu der zentralen Feierstunde im Forum des Hariolf-Gymnasiums zahlreiche Gäste, darunter sogar den Crailsheimer Oberbürgermeister Rudolf Michl, begrüßen konnte.
Hilsenbek betonte in seiner Ansprache, dass es der „richtige Weg“ sei, diesen Tag alljährlich gemeinsam mit einer Schule auszurichten – wie es in Ellwangen seit 16 Jahren gepflegte Tradition ist. Schließlich entscheide die Jugend darüber, welchen Weg die Gesellschaft künftig einschlägt.
Der Ellwanger OB unterstrich zudem, insbesondere mit Blick auf die jüngsten Ereignisse um die rechtsextremistische Terrorzelle NSU, wie wichtig es sei, ein klares Zeichen zu setzen – „gegen eine verbrecherische Ideologie, die bis in die Gegenwart hinreicht“. „Wehret den Anfängen“, mahnte Hilsenbek, an die Schüler gerichtet, mit Nachdruck.
Die richtigen Worte fand im Anschluss dann auch der Rektor des Hariolf-Gymnasiums, Rainer Matzner. Er unterstrich, wie wichtig es sei, das Augenmerk auf die Gegenwart zu richten. Krieg, Gewaltherrschaft, Flüchtlingselend und Zerstörung gebe es noch heute auf fast allen Kontinenten. Wer glaube, dass das Terrorregime der Nazis nur ein „Betriebsunfall“ der Geschichte gewesen sei, irre sich ganz gewaltig, sagte Matzner, der abschließend eindringlich feststellte: „Die Toten klagen nicht. Die Toten klagen an. Den, der sie umgebracht hat, den, der sie verleugnet und den, der sie vergisst.“
Dem Leiter des Crailsheimer Stadtarchivs Folker Förtsch oblag es danach, in die Ausstellung „Die Weiße Rose. Beweist durch die Tat, dass ihr anders denkt“, die aktuell im Forum des HG zu sehen ist, einzuführen.
Dabei schaffte es Förtsch seine vorwiegend jugendlichen Zuhörer im HG mitzunehmen. Etwa, indem er darauf hinwies, dass die Geschwister Scholl seinerzeit „eigentlich ganz normale Jugendliche“ gewesen seien, die in ihrer Kindheit und Jugend auch nur eines wollten – nämlich Spaß.
Keiner von Beiden sei als glorreicher Widerstandskämpfer geboren worden. Im Gegenteil. „Sie waren als Kinder beide in der Hitlerjugend – gegen den ausdrücklichen Willen der regimekritischen Eltern“, berichtet Förtsch. Erst ganz allmählich seien die Scholl-Geschwister vom NS-Regime abgerückt. Als bestimmte Bücher und Musik verboten wurden, als jüdische Klassenkameraden plötzlich verschwanden.
Erst in dieser Situation wurden aus „ganz normalen Jugendlichen“ Widerstandskämpfer, derer man sich noch heute erinnert, weil sie – anders als viele ihrer Landsleute sich eben nicht in die innere Immigration zurückzogen. Sie bewiesen Mut und Rückgrat. Auch deshalb taugten die Geschwister Scholl – über 60 Jahre nach Kriegsende – noch als Vorbilder in Sachen Zivilcourage. „Hans Scholl war nicht cool, weil ihm alles egal war. Er war cool, weil er für das, was ihm wichtig war, einstand“, verdeutlicht Förtsch den gebannt lauschenden jungen Zuhörern, die der Crailsheimer Archivar abschließend zu mehr (politischem) Engagement auffordert. „Es ist Eure Entscheidung, in was für einer Gesellschaft wir künftig leben.“
Die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ ist bei der Gedenkfeier dann noch ein weiteres Mal Thema. Schüler der Jahrgangsstufen eins und zwei stellen mit ganz sparsamen Mitteln, aber trotzdem sehr effektvoll, den Gerichtsprozess gegen die sechs Kernmitglieder der Weißen Rose nach, die allesamt zum Tode verurteilt wurden. Mit dem Vortragen von kurzen Auszügen aus den Verteidigungsreden wird noch einmal sehr deutlich, wofür die Geschwister Scholl und ihre Mitstreiter damals eintraten und gegen was sie kämpften. Ein ganz starker Schülervortrag, der bewegte.
Nicht weniger stark war am Freitag auch die musikalische Umrahmung der Feierstunde, für die ebenfalls HG-Schüler zuständig waren. Ein Trio unter der Leitung von Lehrer Ulrich Brauchle wusste mit passender jüdischer Klezmermusik zu gefallen.

© Schwäbische Post