Ausstellung "In Memorian"

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Info vom 2. Februar 2012

Nazis ermordeten 240 psychisch Kranke aus unserer Region

Idar-Oberstein - Rund 180?000 psychisch kranke Menschen wurden zwischen 1939 und 1945 in Deutschland systematisch ermordet. Dieser häufig vergessenen Opfer des Nazi-Terrors gedachten der Verein „Schalom – Begegnung mit dem Judentum“ und die Stadt Idar-Oberstein mit der Ausstellung „In Memorian“ in der Göttenbach-Aula, in deren Rahmen zwei Veranstaltungen stattfanden. In der zweiten wurde an die rund 240 Opfer des nationalsozialistischen „Euthanasie“-Programmes aus unserer Region erinnert , die in Einrichtungen der Kreuznacher Diakonie untergebracht waren.

Die stellvertretende Schalom-Vorsitzende Anne Sinclair eröffnete ihren Vortrag mit eigenen Kindheitserinnerungen an den Niederreidenbacher Hof, in dessen unmittelbarer Nähe ihre Eltern eine Gaststätte mit Hotel betrieben, in dem zeitweilig auch „Männer in weißen Kitteln“ verkehrten, über die die Erwachsenen in Weierbach heimlich tuschelten. Ebenso haben sie Bilder vom Fischbacher Bahnhof mit in Waggons eingepferchten Frauen bis heute begleitet.

Anne Sinclair beleuchtete in ihren Ausführungen die Zwickmühle, in der sich die Verantwortlichen der vier Diakonie-Einrichtungen Reidenbacher Hof, Asbacher Hütte sowie in Sobernheim und Bad Kreuznach befanden. Sie standen unter dem staatlichen Zwang, Meldebögen zur Erfassung psychisch Kranker und Behinderter auszufüllen und abzugeben, wussten aber gleichzeitig, dass sie damit die ihnen Anvertrauten in den sicheren Tod schickten. Von kirchlicher Seite gab es durchaus Widerstand gegen die barbarische Praxis der Nazis. Bekannt sind die Predigten, die Clemens August Graf von Galen, der Bischof von Münster und spätere Kardinal, im Jahr 1941 hielt, und die dazu führten, die „Euthanasie“-Programme zwischenzeitlich einzustellen oder einzuschränken. An den Protesten beteiligte sich auch Diakonieleiter Pfarrer Johannes Hanke. Nachdem 1943 mit der „Aktion Brandt“ die Verschleppung und Ermordung Behinderter wieder forciert wurde, kam auch die Kreuznacher Diakonie nicht mehr um die Abgabe von Listen herum. In einem „Kompromiss“ versuchte man, den Abtransport auf Schwerstbehinderte zu beschränken.

Für eine sensible und eindringliche musikalische Umrahmung sorgte Andreas Müller, der mit seinen leisen und nachdenklichen Liedern auf Platt Einblicke in die Abgründe ländlicher „Idylle“ verschaffte. Der gebürtige Niederwörresbacher, der heute in Freiburg lebt und als Musiklehrer arbeitet, erinnerte daran, dass auch 17 Heimbewohner aus seinem Heimatdorf von den Nazis in den Tod geschickt wurden. Davon wolle, so der 54-Jährige, in seiner Jugendzeit niemand etwas wissen und erst in den 90er-Jahren wurde an dem noch heute bestehenden Kinderheim eine Gedenktafel angebracht.

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