Hirtenbrief zum „Oldenburger Kreuzkampf“

27. November 1936:

(...) Es war angeordnet, dass von allen öffentlichen Gebäuden, ja selbst aus den Schulen, in denen katholische Kinder von katholischen Lehrern im christlichen Glauben unterrichtet werden, das Kreuz entfernt werden solle. Als ihr das hörtet, als wir das hörten, da ging ein Erschrecken, ein Entsetzen durch unsere Herzen. Ist es schon so weit gekommen? Soll hier, bei uns, in unserer lieben Heimat durchgeführt werden, was vor kurzem der „Durchbruch“, das Kampfblatt der sog. Deutschen Glaubensbewegung (Folge 31) forderte: „Das Kreuz muss fallen!“ Soll hier geschehen, was jene Neuheiden verlangen: „Das Kreuz ist im Fallen; reiß du es ganz nieder!“ Sollen unsere Lehrer und Lehrerinnen gezwungen werden, das Kreuz herab zu reißen, vor dem sie bisher täglich mit eueren Kindern gebetet haben? Soll es hier Wahrheit werden, was dieselbe Zeitschrift schrieb: „Nehmt Abschied, Deutsche, vom Christusbild!“ (Folge 34). Soll es hier heißen: „Nehmt Abschied, Kinder, von dem Christusbild, vor dem ihr bisher gekniet und gebetet habt, zu Hause und in der Kirche, in der Schule und am Wege, am Einfahrtstor eueres väterlichen Bauernhofes, wo es seit uralten Zeiten steht als Wahrzeichen, dass hier Christen wohnen, die unter dem Zeichen des Kreuzes leben und sterben wollen?


Soll hier, im oldenburgischen Münsterland, der erste verhängnisvolle Schritt getan werden auf dem Wege Rosenbergs, der ja nach dem bekannten Wort der Reichsjugendführers „der Weg der deutschen Jugend“ werden soll? Alfred Rosenberg, dessen von der Kirche verurteiltes Buch immer noch als unentbehrlich zur Erkenntnis nationalsozialistischer Weltanschauung den Teilnehmern an Führerkursen und Schulungslagern aufgezwungen wird, verlangt ja ausdrücklich den „Ersatz der die Kreuzigung Christi darstellenden Kruzifixe in Kirchen und auf den Dorfstraßen“ durch andere Zeichen! Ja er stellt die Forderung auf: „Eine deutsche Kirche wird nach und nach in den ihr überwiesenen Kirchen an Stelle der  Kreuzigung den lehrenden Feuergeist, den Helden im höchsten Sinn darstellen“.

„Nach und nach“ soll es dahin kommen! Wir haben es verstanden! Und jetzt soll es beginnen? „Das Kreuz muss fallen“, zuerst in den Schulen, damit die Kinder „Abschied nehmen vom Christusbild“. „Aus den Augen, aus dem Sinn!“, so hoffen die Feinde des Kreuzes Christi. Wie lange noch, dann wird es heißen: „Das Kreuz muss fallen an den Dorfstraßen und öffentlichen Wegen!“ „Aus dem Auge, aus dem Sinn!“ Und endlich, so sagt Rosenberg, soll sogar in den Kirchen, die den Christen genommen und einer sog. Deutschen Kirche überwiesen werden, das Kreuz fallen! „Aus dem Auge, aus dem Sinn!“ Und dieser mit offenen Worten enthüllte Plan soll hier, bei uns, verwirklicht werden? Nach und nach? Anfangend mit der Verbannung des Kreuzes aus den Schulen?

Meine lieben Diözesanen! Meine teueren Heimatgenossen und Landsleute! Lasst uns Gott danken, der uns die Augen öffnete und uns erkennen ließ, welche unheilvolle Entwicklung sich hier anbahnt, welch unabsehbares Unheil sich hier ankündigt. Ihr habt es erkannt, und darum habt ihr in heißen Gebeten zu Gott dem Allmächtigen gefleht, habt Tag um Tag in überfüllten Kirchen und in gemeinsamer Hausandacht vor dem Bilde des Gekreuzigten um Abwendung solchen Übels gebetet. Und Gott hat euer Gebet erhört. Lasst uns ihm danken für sichtbar gewährten Beistand!  Aber ihr habt nicht nur gebetet, ihr habt auch selbst die Hände geregt. Aus fast allen Gemeinden sind euere Vertreter, tapfere deutsche Männer, bewährt im Krieg und Frieden, nach Oldenburg gefahren, haben ohne Scheu ihren christlichen Glauben bekannt, haben ohne Menschenfurcht Zeugnis abgelegt für euch und für eure Treue zu Christus dem Gekreuzigten. Gott sei Dank für diesen christlichen Mannesmut, der zu allen Zeiten Christenpflicht, aber jetzt mehr wie je notwendig ist. Gott lohne es allen, die mutig und furchtlos für unsere heilige Sache eingetreten sind: möge ihre Haltung für alle Christen, weit hinaus über die Grenzen unserer Heimat, möge sie vor allem für unsere Jugend Vorbild und Beispiel sein! Gott erhalte, Gott vermehre in uns allen den Bekennermut, der ungeachtet alle Drohungen und Schädigungen an zeitlichen Gütern der christlichen Wahrheit Zeugnis gibt, und bereit ist, das kostbarste Erbe unserer Väter, den Glauben an Christus und sein heiliges Kreuz zu verteidigen, wenn es sein muss bis in Kerker und Tod!