Archiv 2012

Info vom 16. April 2012

Lübeck März 1942: Nach einem verheerenden Bombenangriff auf die Hansestadt predigt Pastor Karl-Friedrich Stellbrink (*1894) am Palmsonntag in der Lutherkirche: „Gott hat mit mächtiger Stimme geredet - die Lübecker werden wieder lernen zu beten." Der Ausspruch verbreitet sich in der Stadt, Stellbrink wird von der Gestapo verhaftet.
Der evangelische Pastor steht schon länger in Opposition zum Nazi-Regime. Seit Sommer 1941 weiß er sich eins mit den drei katholischen Kaplänen Lübecks, Johannes Prassek (*1937), Hermann Lange (*1912) und Eduard Müller (*1911). Die vier Geistlichen verbreiten Predigten des Bischofs von Münster Clemens August Graf van Galen. Sie brechen das Schweigen über die Nazi-Verbrechen und nehmen auch auf der Kanzel kein Blatt vor den Mund.
In kurzen Abständen werden nach Stellbrink ebenfalls Prassek, Lange und Müller verhaftet. Im Gefängnis wächst ihre Gemeinschaft im Glauben. Am 23. Juni 1943 verurteilt der Volksgerichtshof Lübeck alle vier Geistlichen zum Tode. Am 10.11.1943 werden Karl-Friedrich Stellbrink, Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange im Abstand von drei Minuten durch das Fallbeil getötet.

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Info vom 31. März 2012

Von Martina Wergin

Heute hat einer der ganz Großen Geburtstag – einer der ganz Großen für mich: Kardinal Clemens August Graf von Galen, der Löwe von Münster – geboren am 16. März 1878. Einer der wenigen Kirchenmänner, die es gewagt haben, sich gegen die Nazis zu stellen, den Mund aufzumachen – in die Opposition zu gehen.

Dabei hatte der Kardinal Glück: An ihn haben sich die Nazis nicht herangetraut. Zu bekannt, zu populär war er. Zähneknirschend nahm das System den unbequemen Mahner hin.

Andere waren da weniger begünstigt. Im letzten Jahr haben wir im Erzbistum Hamburg die Seligsprechung der Lübecker Märtyrer gefeiert: Drei katholische Kapläne und ein evangelischer Pastor, die genauso ihre Stimmen gegen das Unrecht erhoben, und dafür dann nicht nur inhaftiert, sondern auch hingerichtet wurden. „Ihr Blut floss ineinander“ heißt es.

Was mich allerdings auch über 60 Jahre nach Kriegsende noch immer deprimiert und nachdenklich macht, ist: Wie kann es eigentlich sein? Wie kann es sein, dass die Mehrheit der Bischöfe, der Priester, der Kirche damals geschwiegen und sich geduckt hat?

Kardinal von Galen brachte den Mut auf, seinem Gewissen zu folgen. Die Lübecker Märtyrer ebenfalls. Heute feiern und ehren wir sie dafür. Aber wenn man einmal ganz ehrlich und nüchtern hinschaut: In ihrer Zeit, in ihrer Umgebung damals waren diese Geistlichen Außenseiter – und eine klare Ausnahme. Wie überhaupt die offene Opposition gegen das Nazi-Regime die Ausnahme war. Die Außenseiter von gestern sind die Helden von heute.

Ich denke, es ist schwer, schwer, den Punkt zu treffen, ab dem klar ist: Hier beginnt das Unrecht. Hier kann man als Christ nicht mehr mitmachen, hier muss man aussteigen.

Kardinal von Galen hat das hinbekommen. Dabei war ihm die ganze Zeit bewusst, dass er sein Leben riskierte.

Würde ich das auch tun? Würde ich es überhaupt merken, wo er ist, der Punkt, ab dem man seinem Gewissen folgen muss – und nicht mehr der Obrigkeit oder Autorität, in welchem Gewand sie auch immer daherkommt? Hätte ich den Mut, mich im offenen Gegensatz zu meiner Zeit und meiner Umgebung wiederzufinden und dann laut und klar zu sagen: NEIN? -- Ich weiß es nicht. Aber was ich weiß, ist: Es ist – so glaube ich – sehr wichtig, von Zeit zu Zeit über genau solche Fragen nachzudenken. Das Thema Gewissen und Ethik nicht auszublenden – sondern es immer mal wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Ich denke, damit fängt es an.

© dradio-dw-kath.eu

Info vom 23. März 2012

Ulm. Vor 75 Jahren hatte Sophie Scholl Konfirmation. Anlass für Paulus- und Martin-Luther-Kirche, deren Haltung zwischen Linientreue und Widerspruch unter den Nazis zu hinterfragen - und auch die der Kirche damals.

Es war der Palmsonntag 1937, als in der Pauluskirche, der damaligen evangelischen Garnisonskirche von Ulm, die 15-jährige Sophie Scholl und auch ihr Bruder Werner konfirmiert wurden - in brauner Uniform, was auch immer das heißen mag. Aber so viel weiß Pfarrer Adelbert Schloz-Dürr von der Pauluskirche heute schon: "Sophie Scholl gehörte zur Hitlerjugend, und zwar zur durchaus begeisterten, ja fanatischen Seite."

Am Sonntag setzt er sich zum 75. Jahrestag der Konfirmation mit der persönlichen Entwicklung der Sophie Scholl auseinander, die später das Herz des studentischen Widerstands in der Gruppe Weiße Rose werden sollte und 1943 von den Nazis hingerichtet wurde. "War der Geist des Widerspruchs 1937 bereits lebendig? Wie groß war die Sehnsucht nach Hingabe?", fragt Schloz-Dürr, um festzustellen: "Da fließen interessante Motive zusammen." Und viele Brüche tun sich auf. Konnte man Christ sein und gleichzeitig Nationalsozialist?

Eine Frage, die die evangelische Kirche überhaupt betrifft, zumal im selben Jahr 1937 die Nazis offensiv in ihre kirchenfeindliche Politik einstiegen. 12 der 13 Ulmer Pfarrer standen nicht konform zum System, aber den Widerspruch weiterzutragen, gelang auch ihnen nicht, auch wenn sie einmal erfolgreich zu einem Beerdigungsstreik antraten, wie Volker Bleil, Pfarrerkollege von Schloz-Dürr aus der Martin-Luther-Kirche, sagt. Auch diese Ebene findet am Wochenende eine eigene Veranstaltung (siehe Info-Kasten).

Um die Ambivalenz komplett zu machen, stellt Bleil seinerseits fest: "In Sophie Scholl und ihrer Familie überhaupt steckt eine tiefe Frömmigkeit, die hat sie nie losgelassen." Dafür wiederum hat er einen neuen Beleg, da zwei Poesiebücher aufgetaucht sind, in denen sich die 11- Jährige mit frommen Sprüche voller Gottvertrauen und Glaubensstärke verewigt hat - sie sind ausgestellt in der Erinnerungsstätte in der LutherKirche für die Schüler um die Weiße Rose (Sonntag bis 18 Uhr geöffnet).

Vieles lässt sich nicht mehr rekonstruieren, eine Stimmung aber, eine Seelenlage kann man herausarbeiten. Das versucht Schloz-Dürr am Sonntag. Im tieferen Sinne des Wortes scheint ihm Sophie Scholl in der Auseinandersetzung mit dem Glauben aber erst ein paar Jahre später konfirmiert worden zu sein. Das zeigt ein Briefwechsel, aus dem im Anschluss an den Gottesdienst in der Pauluskirche gelesen wird.

© www.swp.de


Info vom 28. März 2012

Beim Projekttag in der Marienschule erarbeiteten Gruppen verschiedene Themen

Dülmen. Die Ideologie des Nationalsozialismus zu entlarven und das heutige Weltbild zu hinterfragen – das war Ziel eines Projekttags der Marienschule. Am vorletzten Mittwoch arbeiteten die Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen zu verschiedenen Themen aus den Fachbereichen Geschichte, Religion und Biologie.

In einer Vortragsreihe wurden die Ergebnisse der neun Arbeitsgruppen zwei Tagspäter präsentiert und inVerbindung miteinander gebracht.

Im Unterricht war der Projekttag durch die Fachschaft Geschichte vorbereitet worden. So waren den Schülern die Grundzüge der nationalsozialistischen Weltanschauung und die geschichtliche Einordnung des Themas sehr präsent. Hieran konnten nicht nur die geschichtlichen Themen („Euthanasie“,„Lebensborn“ und „Die Person Adolf Hitler“) anknüpfen, sondern auch die religiösen („Dietrich Bonhoeffer“, „Der Löwe von Münster“ und „Janusz Korczak“) und die biologischen Arbeitsgruppen („Das Gesetzdes Lebens“, „Der Rassebegriff in der biologischen Welt“ und „Züchtung von Ariern“).

Exkursion mit Pfarrer Markus TrautmannDie Arbeit in den Gruppen gestaltete sich sehr unterschiedlich. Einige arbeiteten mit Internetrecherchen und Literatur, eine Religionsgruppe machte eine Exkursion auf den Spuren des Löwen von Münster. Hier brachte Pfarrer Markus Trautmann den Schülerinnen und Schülern sehr kenntnisreich das Wirken von Galens in Münster nahe. Eher experimentell arbeiteten die Biologie-Fachgruppen, die zum Beispiel aufgrund der Vererbungsgesetze die nationalsozialistischen Vorstellungen einer Züchtung von „Ariern“ überprüfte. Tatsächlich ginge ein Erfolg einer solchen Züchtung mit einer hohen Zahl an erbkranken Nachkommen einher, schilderten die Schülerinnen und Schüler in ihrem Vortrag.

Sehr deutlich wurde den Schülerinnen und Schülern auch, dass es bis heute Tendenzen in unserer Gesellschaft gibt, die sehr bedenklich und menschenfeindlich sind. Deutlich wird das, wenn moderne Philosophen den Wert eines Menschen von seinem Glücksempfinden abhängig machen, wenn vorgeburtliche Diagnosen dazu führen, dass Föten mit Behinderung überwiegend abgetrieben werden, oder wenn in den Medien bestimmte Schönheitsideale den Wert von Menschen bestimmen.

© Streiflichter, Dülmen

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Info vom 23. März 2012

Reinhold Meyer

Reinhold Meyer gehörte zu den zentralen Figuren der Hamburger Weißen Rose im Widerstand gegen den Nationalsolzialismus.

Nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl und Christoph Probst am 22. Februar 1943 in München beschloss Meyer mit seinem Freundeskreis, bestehend u.a. aus Albert Suhr und Hans Leipelt, aktiv gegen den Nationalsozialismus zu agieren. Bekannt wurde, dass sie das letzte Flugblatt der Weißen Rose mit dem Zusatz „Ihr Geist lebt trotzdem weiter“ vervielfältigten und weitergaben. Reinhold Meyer stellte für die konspirativen Treffen der wachsenden Gruppe den Keller der Agentur des Rauhen Hauses am Jungfernstieg zur Verfügung.

Durch Einschleusung des Gestapo-Spitzels Maurice Sachs wurde der Treffpunkt verraten. Albert Suhr wurde am 13. September 1943 verhaftet. Nachdem Hans Leipelt am 8. Oktober 1943 in München festgenommen worden war, setzte in Hamburg eine weitere Verhaftungswelle ein. Margaretha Rothe, Heinz Kucharski und Karl Ludwig Schneider wurden am 9. November 1943 von der Gestapo aufgegriffen. In der Hoffnung, der drohenden Festnahme zu entgehen, wurde Reinhold Meyer von seinem Vater zu dem mit der Familie befreundeten Verleger Hellmut Mebes nach Blankenburg in den Harz geschickt. Dort verhaftete ihn die örtliche Gestapo am 19. Dezember 1943 und überstellte ihn zur Untersuchungshaft in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel.

Die ersten Monate verbrachte er in Fuhlsbüttel in Einzelhaft. Anfang Juni 1944 wurden einige Gefangene wegen der Überfüllung des Polizeigefängnisses und anstehender Umbauarbeiten, als Polizeihäftlinge in das KZ Neuengamme überstellt, unter ihnen auch Reinhold Meyer und weitere männliche Gefangene aus dem Umfeld der Weißen Rose. Aus Neuengamme ist bekannt, dass Meyer zunächst in der Gärtnerei, später in der Schreibstube der Kommandantur arbeitete und mit Albert Suhr und Felix Jud „in einem Saal lag“. Am 16. Oktober 1944 wurde er zusammen mit den anderen nach Fuhlsbüttel rückverlegt. Das Ermittlungsverfahren der Hamburger Gestapo gegen die Gruppe war abgeschlossen, die Akten wurden an den Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof abgegeben und Anklage gegen 24 Beschuldigte erhoben. Diese wurden am 26. Oktober 1944 in das Untersuchungsgefängnis weiterverlegt.

Gegen Reinhold Meyer war keine Anklage zustande gekommen, er verblieb im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel. Aus einem Brief an seine Familie vom 9. November 1944, den er als unzensiertes Schreiben aus dem Gefängnis hatte herausschmuggeln können, geht hervor, dass er aus dieser Sonderbehandlung die Hoffnung auf seine baldige Entlassung schöpfte. Doch am 12. November 1944 wurde seinen Eltern sein Tod in der Haftanstalt mitgeteilt. Offiziell wurde dazu erklärt, er habe sich in Neuengamme mit einer Diphtherie infiziert. Die Schwester Reinhold Meyers, Anneliese Tuchel, bezweifelte die Darstellung dieser Todesursache. Mitgefangene haben ihr mitgeteilt, ihr Bruder sei nach einem Verhör gestorben. In einer Gesprächsaufzeichnung aus dem Jahr 1994 erklärte sie: „Er hat ja am 9. November noch jenen hoffnungsvollen Brief geschrieben, und am 12. ist er gestorben; in drei Tagen stirbt man nicht an Diphtherie.“

Quelle: wikipedia.org

Nun wird zum Gedenken an Reinhold Meyer in Crailsheim (Baden-Württemberg) eine Straße nach ihm benannt.