Info vom 27. Juni 2011

Widerstand im Sinne Galens
Lübeck.
Um kurz nach halb zwölf war es endlich so weit: Wie einen Pokal präsentierte der Hamburger Erzbischof Werner Thissen am Samstag (25.06.2011) auf der Altarbühne das Dokument, mit dem die als Lübecker Märtyrer bekannten NS-Widerstandskämpfer jetzt seliggesprochen sind. Kurz zuvor hatte der Vatikanische Präfekt für Selig- und Heiligsprechungen, Kardinal Angelo Amato, den von Papst Benedikt XVI. unterzeichneten Text verlesen.

"Nun dürfen wir unsere drei Kapläne um ihre Fürsprache bitten", rief Thissen, der 2004 den Anstoß zum Seligsprechungsverfahren gab, der Menge zu und intonierte "Selige Lübecker Märtyrer, bittet für uns" - sicher nicht, ohne die ökumenisch komplexe Geschichte der Märtyrer aus den Augen zu verlieren; denn einer der vier 1943 hingerichteten Geistlichen war evangelischer Pastor und kann daher nach dem Verständnis seiner Kirche nicht seliggesprochen werden.

Widerstand im Sinne des Kardinal von Galen
Die Kapläne Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller hatten gemeinsam mit dem evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink vor allem die regimekritischen Predigten des katholischen Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen, verbreitet - in ökumenischer Gemeinsamkeit, wodurch ihnen innerhalb des christlichen Widerstands eine Sonderrolle zukommt. Jahrelang gab es ein gemeinsames Gedenken der Kirchen für die vier. Der Sorge, dass dies durch die Seligsprechung erschwert werden könnte, wollte Thissen durch das Einbeziehen der evangelischen Kirche von Anfang an begegnen. Offenbar mit Erfolg. So gab es am Vorabend der Seligsprechung in der Lübecker Lutherkirche einen evangelischen Gedenkgottesdienst für alle vier Märtyrer. Beim Pontifikalamt bezeichnete der evangelische Bischof Gerhard Ulrich in seinem Geistlichen Wort die vier als "Jesu Brüder in der weltumspannenden Ökumene, in der einen Gemeinschaft der Heiligen".

Es wehte ein Hauch von römischem Katholizismus über die "Parade" vor der Propsteikirche Herz Jesu, als sich der lange Zug mit rund 100 Fahnen katholischer Verbände, gut 25 Messdienern, Lektoren und Zelebranten zum Altar bewegte. Vier Palmwedel symbolisierten die vier Märtyrer. Zur ersten Seligsprechung Norddeutschlands waren rund 8000 Menschen angereist, darunter auch Bischof Felix Genn aus Münster.

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Info vom 21. Juni 2011

Seligsprechung am Sonnabend

Von Thomas Morell (epd)

Lübeck/Osnabrück (epd). Das Fallbeil war modern und der Henker Friedrich Hehr erfahren: Innerhalb von neun Minuten hat er die vier "Lübecker Märtyrer" am 10. November 1943 hingerichtet. Ihr Blut, so wird berichtet, sei im Hof der Hamburger Haftanstalt Holstenglacis ineinander gelaufen. Das Gedenken an die drei katholischen Kapläne und den evangelischen Pastor gilt seitdem als gemeinsame Aufgabe der beiden Kirchen.

Nun werden die drei katholischen Kapläne Johannes Prassek, Eduard Müller und der aus Ostfriesland stammende Hermann Lange in Lübeck seliggesprochen: am Sonnabend (25. Juni) in einer Heiligen Messe unter freiem Himmel. Alle drei wurden im Osnabrücker Dom zum Priester geweiht, deshalb beteiligt sich neben dem Erzbistum Hamburg auch das Bistum Osnabrück an der Zeremonie.

Ungewöhnlich ist, dass zugleich an den evangelischen Pastor Karl-Friedrich Stellbrink ehrend erinnert wird. Die evangelische Kirche praktiziert keine Seligsprechung. Auch Papst Benedikt XVI. hat den ökumenischen Geist der Seligsprechung betont und die vier "Lübecker Märtyrer" als "eindrucksvolles Zeugnis der Ökumene des Gebets und des Leidens" gewürdigt.

Johannes Prassek war der "politische Kopf" der drei Kapläne. Die Tötung von behinderten Menschen stieß ihn ebenso ab wie die Misshandlungen der Zwangsarbeiter. Heimlich steckte er ihnen Brot und Kleidung zu. Offen brachte er in Predigten und Gesprächen seine Kritik zum Ausdruck. "Wer soll denn sonst die Wahrheit sagen, wenn es nicht die Priester tun?" antwortete er warnenden Stimmen. Doch da hatte der Spitzel Hans Lüers seine Berichte schon längst an die Gestapo weitergegeben.

Der evangelische Pastor Stellbrink hatte einen ganz anderen Weg hinter sich. Der langjährige Auslandspastor in Brasilien war völkischer Rassist und seit März 1933 NSDAP-Parteimitglied. Das Alte Testament kritisierte er als "jüdisch" und sah in Jesus Christus vor allem einen nordischen Heroen. Doch sowohl mit seiner Partei als auch mit seinem NS-nahen Bischof Erwin Balzer überwarf er sich, so dass die Partei ihn 1937 ausschloss. Stellbrink und Prassek freundeten sich 1941 an, als Kontakte zwischen den Konfessionen noch verpönt waren.

Nach dem verheerenden Bombenangriff auf Lübeck im März 1942 hatte Stellbrink gepredigt, dass Gott "mit mächtiger Stimme" gesprochen habe. Eine Woche später wurde er von der Gestapo verhaftet, sieben Wochen danach folgte Prassek. Es scheint, als sei den Beteiligten der Ernst der Lage nicht bewusst gewesen. "Na, das wird ja nicht gleich Kopp ab kosten", schrieb Lange nach der Hausdurchsuchung durch die Gestapo. Im Juni wurden auch er und seine Amtsbruder Müller verhaftet.

Selbst für den Volksgerichtshof, der im Juli 1943 in Lübeck die vier Geistlichen zum Tode verurteilte, waren die Urteile ungewöhnlich hart. Müller etwa wurde nichts weiter nachgewiesen als das Abhören feindlicher Sender. Die Todesurteile sollten vor allem den NS-kritischen Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen treffen, dessen Predigten die vier Lübecker abgetippt und verteilt hatten. Galen war damals allerdings zu populär, als dass er verhaftet werden konnte.

Hitler persönlich, so der Kirchenhistoriker Peter Voswinckel, habe die Todesurteile angeordnet, aber jeden Bezug zu Galen aus den Urteilen streichen lassen. Trauerfeiern waren verboten. Die Familie Stellbrink erhielt nach der Hinrichtung sogar eine Rechnung über 1.500,70 Reichsmark für die Haftzeit. Darunter war auch die Rubrik "Vollstreckungskosten" in Höhe von 122 Reichsmark.

Bemerkenswert ist die Gelassenheit, mit der die vier Geistlichen ihren Tod erwarteten. "Was mich erwartet, ist Freude und Glück", schrieb etwa Prassek. Und bei Lange heißt es: "Heute ist die große Heimkehr ins Vaterhaus, und da sollte ich nicht froh und voller Spannung sein?" Die NS-Justiz hat die Briefe nicht weitergeleitet.
Sie erweckten den Eindruck, heißt es in einem Schreiben, die Verurteilten hätten "sich bei Begehung ihrer Straftaten für eine gute Sache eingesetzt". Erst 2004 fand der Historiker Voswinckel die Briefe im Bundesarchiv.

Beide Kirchen gingen mit ihren gehenkten Geistlichen nach dem Krieg sehr unterschiedlich um. Die katholische Gemeinde feierte bereits am 10. November 1945 das Gedenken an ihre drei Kapläne. Die evangelische Seite tat sich mit ihrem ehemaligen Nazi-Pastor schwer.
Über eine innere Wandlung Stellbrinks ist wenig bekannt. Der Lübecker Altbischof Karl Ludwig Kohlwage geht davon aus, dass er am Ende den "wahren Charakter" der NS-Ideologie erkannt hat. Erst 1993 wurde Stellbrink auf Initiative Kohlwages rehabilitiert.

© epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen

Info vom 4. Juni 2011

Jugendliche beschäftigen sich im Geschichtsunterricht mit Sophie Scholl – daraus ist ein Kurzfilm entstanden.

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garcia1-197x300Info vom 14. Juni 2011

Passend zum Weltjugendtag in Madrid wird das Buch "Christen gegen Hitler" in spanischer Sprache veröffentlicht.
Dr. phil. José M. García Pelegrin stellt in seinem Buch «Cristianos contra Hitler» Clemens August von Galen, Wilm Hosenfeld, Franz Jägerstätter, Helmuth James von Moltke, Irena Sendler und auch Karl Leisner als Menschen des Widerstandes im Nationalsozialismus vor.

Info vom 3. Juni 2011

Funke der Widerstandbewegung glüht bis heute

Haar - Noch zehn Tage haben Besucher Zeit, die Ausstellung „Die Weiße Rose“ im Haarer Rathaus zu besuchen. Zwar hatte die Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung, Hildegard Kronawitter, schon Anfang der Woche zur Finissage geladen - die Stelltafeln, auf denen die Geschichte der Widerstandsgruppe erzählt wird, bleiben aber noch bis zum 10. Juni im Rathaus stehen.

Kronawitter strich bei ihrer Ansprache, die sie kurz nach dem Grußwort von Bürgermeister Helmut Dworzak hielt, das besondere Ambiente der Ausstellung heraus: „Hier ist es so würdevoll, ästhetisch sehr zurückgenommen und unglaublich passend dekoriert“, stellte sie fest.

„Unerwartet viele Besucher“ haben die Ausstellung laut Dworzak bereits gesehen und die 47 Stelltafeln gelesen. „Die Geschichte hat sie wohl berührt“, sagte Kronawitter. „Dafür haben sie sich die Zeit genommen, in die Vergangenheit abzutauchen.“

Sie selbst blieb bei ihrer Ansprache aber nicht in der Vergangenheit haften, sondern spann einen Bogen von der Studentengruppe der „Weißen Rose“ zum Hier und Jetzt: Die Geschwister Scholl und ihre Freunde hätten gehofft, mit ihren Flugblättern Menschen zum Nachdenken zu bringen, Menschen zu Massenprotesten zu bewegen. Doch dieser Funke sei in der Kürze der Zeit nicht übergesprungen. Bei den Aufständischen in Ägypten und Tunesien aber habe das funktioniert, sagte Kronawitter.

Trotzdem könne und dürfe man die „Weiße Rose“-Gruppe nicht vergessen: „Sie sind Vorbilder in ihrem Mut und ihrem Verantwortungsbewusstsein. Wir können heute noch von ihnen lernen was es bedeutet, Freiheit und Grundrechte zu haben.“

Zur Verdeutlichung lasen anschließend Michael Stacheder, Leiter des Jungen Schauspiel Ensemble München, und Schauspielerin Theresa Hanich aus dem Briefwechsel von Sophie Scholl und Fritz Hartnagel vor. Sehr differenziert und mit einer für eine junge Frau ungewöhnlichen Sprache setzte sich Sophie Scholl mit dem brisanten Thema auseinander. Ihr Freund, als Berufssoldat in Russland stationiert, wusste nichts von ihrem Widerstand.

(ama)
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