Hirtenbrief an die Gläubigen der Diözese Münster

26. März 1934:


(...) Heute werden Schriften verbreitet und empfohlen, welche verkünden, dass nicht Gott die Welt und ihre Entwicklung hervorgebracht habe, sondern dass die Gottesidee ein Ergebnis dieser Entwicklung sei. Das ist neues Heidentum. Die katholische Kirche lehrt, dass Gott wirklich und wesentlich von der Welt geschieden ist; die Neuheiden aber erklären, dass Gott der Welt und vor allem dem Blute verhaftet sei. Nach der Lehre der katholischen Kirche ist Gott unendlich in seinem Wollen und Denken. Nach den Neuheiden aber hat Gott Wille, Verstand und Persönlichkeit nur im Menschen. Nicht Gott ist mehr Herr, sondern der Mensch, und es wird Gott geradezu der Knecht des Menschen genannt.

(...) Es greift die Fundamente der Religion und der gesamten Kultur an, wer das moralische Gesetz im Menschen zerstört. Das tun aber jene, die von der Sittlichkeit erklären, sie gelte nur insoweit für ein Volk, als sie die Rasse fördere. Offensichtlich wird dadurch die Rasse über die Sittlichkeit gestellt, das Blut über das Gesetz. Eben diese Irrlehre behauptet, es seien die zehn Gebote nur der Ausdruck der Sittlichkeit des jüdischen Volkes gewesen und sie müssten anders lauten für andere Völker mit anderem Blut. In Wirklichkeit verpflichten die zehn Gebote, die unter Blitz und Donner auf dem Sinai verkündet worden sind, alle Völker. Was die zehn Gebote sagen, steht als Sittengesetz in den Herzen aller Menschen, auch der Heiden geschrieben, wie der Apostel lehrt (Röm 1,18ff). Was wird nun die Folge sein, wenn man das sittliche Naturgesetz, das alle Menschen ohne Unterschied der Rassen und Klassen verpflichtet, zerstört und wenn man die reine Stimme des Gewissens trübt?

(...) Dieser Angriff gegen das Christentum, wie wir ihn in der heutigen Zeit in unserem Volke erleben, übertrifft an vernichtender Gewalt alles das, was wir von den früheren Zeiten her wissen. Was in den Schulen der Freidenker seit Jahrzehnten und seit Jahrhunderten aufgespeichert wurde, will man jetzt in die breitesten Schichten des Volkes, ja, bis in die Herzen der Jugend tragen. Dabei wird es mit der verführerischen Aussicht verbunden, es solle dazu dienen, dem religiös gespaltenen deutschen Volke endlich einen gemeinsamen Glauben zu geben. Mit Befremden muss man auch feststellen, dass eine Reihe von Gedanken und Vorstellungen, die von der bolschewistischen Gottlosenbewegung in den Menschen geweckt wurden, jetzt unter nationalen Vorzeichen wieder auftauchen.

(...) Das neue Heidentum richtet sich ferner gegen den Inhalt der Offenbarung und leugnet die hehren Geheimnisse der christlichen Religion ohne Ausnahme. Es will von der Tatsache nichts wissen, dass unsere Stammeltern gesündigt und das Strafgericht Gottes auf das gesamte Menschengeschlecht herabgezogen haben. Wiederum wird es damit begründet, dass die nordische Rasse den Begriff der Sünde nicht kenne, der aus einer ganz anderen Kultur stamme, die unserem Wesen fremd sei. Einige gehen dabei so weit, das Christentum eine Sklavenreligion und seine erhabene Sittenlehre eine Sklavenmoral zu nennen, die aus den Niedergangszeiten der alten Welt hervorgegangen seien. Demgegenüber lehrt das Christentum die Tatsache der Erbsünde und ihr entsprechend die Tatsache der Erlösung. Nur Gott selbst, der durch die Sünde beleidigt war, konnte den Fluch aufheben, der durch sie in die Welt gekommen ist. Eine Selbsterlösung des Menschen ist unmöglich, solange die Sünde eine Beleidigung Gottes ist. So weisen diese neue Heiden den Erlöser zurück, „durch dessen Blut wir gerettet sind“ (1 Petr 2,24), zu dem unsere Väter durch so viele Jahrhunderte voll Inbrunst gebetet haben. Die Neuheiden lehnen die Früchte der Erlösung, die Gnade der Sündenvergebung und der Kindschaft Gottes ab; denn wie sollte der noch der Gnade bedürfen, der nicht sündigen kann? Sie verwandeln die Sakramente in das Brauchtum einer nationalen Religion, indem sie von dem Mysterium und dem Sakrament des Blutes sprechen.

(...) Diese neue Lehre verlangt einen radikalen Bruch mit der christlichen Vergangenheit des deutschen Volkes, dessen Kultur sich doch seit mehr als tausend Jahren auf dem Boden des Christentums entwickelt hat. Sie enthält eine offene Auflehnung gegen den Willen der Reichsregierung, deren Führer in feierlicher Stunde erklärt hat, dass die Lehren des Christentums die Grundlage für den Neubau des Deutschen Reiches sein sollen. Trotzdem wagt man es unter dem Vorgeben, die nationale Wiedergeburt des deutschen Volkes zu fördern, das Christentum und seine Lehre zu verunglimpfen, seine Sittlichkeit zu schmähen, die Treue zum Glauben unserer Väter zu untergraben. Eine Täuschung der Hölle ist im Gange, die auch die Guten irreführen könnte.  

(...) Der beste Schutz gegen den Unglauben ist das Leben aus dem Glauben, wie der Apostel es will (Röm 1,17). Durch das Gebet bekennt ihr euch zu Gott, dem Allmächtigen, dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Durch den eifrigen Empfang der Sakramente bekennt ihr euch zu Christus, dem Erlöser, dessen heiliges Blut in den Sakramenten noch immer fließt zur Rettung der Welt. Durch die Gnadenmittel befindet ihr euch im Reiche des Geistes der Gotteskindschaft und erwerbt die Anwartschaft auf das Erbe der Heiligen. Versammelt euch um eure Altäre, auf denen das Blut des Gottessohnes geopfert wird, der unser Erlöser und unser Heil ist. Nehmet teil am Leben der Gemeinde, bewahret die Sitten der christlichen Vergangenheit, über vor allem die Liebe, denn an der Liebe soll man die Jünger des Herrn erkennen. Dann aber habt Vertrauen. Christus der Herr hat uns vorausgesagt, dass die Welt uns hassen wird. Noch bei seiner Abschiedsrede hat er gesprochen: ‚In der Welt leidet ihr Drangsal; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden’ (Joh 17,23). Wir sind auf Erden die streitende Kirche, und der Jünger ist nicht über den Meister. Wir wissen aber, dass Christus bei uns bleibt bis zum Ende der Welt.